Atomklatsche gegen die Tsetse-Fliege

(Bild der Wissenschaft)

Mit Gammastrahlen und Insektenfallen: Afrikanische Forscher rüsten zur bislang größten Schlacht gegen die Schlafkrankheit.

Der Krieg soll in einer Baracke hinter dem Schrottplatz von Kaliti beginnen, dort wo die staubigen Straßen Addis Abebas in die grünen Hügeln Afrikas münden. Noch allerdings ist die Munition gekühlt: Tausende von Fliegen surren hinter feinmaschigen Drahtgittern. Sie laufen schwerfällig, denn die Kälte macht ihnen die Beine schwer. Mit spitzen Fingern greift der Veterinär Solomon Mekonnen in den Käfig und setzt sich eine grau-schimmernde Tsetse-Fliege auf die Handfläche. „Ist die nicht perfekt?"


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Die Tsetse-Fliege macht Viehwirtschaft in den wasserreichen und fruchtbaren Regionen Afrikas fast unmöglich, da die Kühe durch die Rinder-Schlafkrankheit sterben. Auch Menschen erliegen Tsetse-Infektionen, inzwischen sogar in Touristengebieten

Nur attraktive Tsetse-Männchen eignen sich für den listigen Feldzug, den die Forscher und wissenschaftlichen Hilfskräfte in dem Labor im Vorort der äthiopischen Hauptstadt derzeit planen: Mit Gammastrahlen aus einer Kobalt-60-Quelle wollen sie die Genitalien der Fliegen sterilisieren und die Insekten dann per Flugzeug zur Hochzeitsreise freisetzen: Millionen unfruchtbarer Labor-Männchen sollen wilde Weibchen zur meist einzigen Kopulation ihres Lebens verführen – ohne dass dabei Nachkommen entstehen. Die manipulierten Männchen könnten auf diese Weise ganze Populationen von Tsetse-Fliegen um ihren Nachwuchs bringen, so dass nach und nach die ganze Brut ausstirbt – zunächst in Äthiopien, dann überall in Afrika. Das ist zumindest der Schlachtplan.

Die neue Kampagne ist der bislang aufwendigste Versuch, einer der verheerendsten Tropenkrankheiten der Welt Herr zu werden. 37 afrikanische Staaten haben sich im Rahmen der Afrikanischen Union (AU) zum grenzüberschreitenden Feldzug gegen die Fliegen verbündet, unterstützt von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die das Know-how für die Bestrahlung der Tiere liefert.

Ein neu gegründetes „Pan African Tsetse and Trypanosomiasis Eradiction Center" (Pattec) soll den großen Fliegenkrieg von Addis Abeba aus koordinieren. An der Spitze steht der in England ausgebildete Biochemiker John Kabayo, ein weltgewandter Wissenschaftler in dunklem Anzug und Seidenkrawatte, für den seine Biografie spricht: Als Kind erlebte er in seinem Heimatdorf in Uganda selbst, wie die Insekten Armut und Tod brachten. Heute fordert er: „Wir dürfen nicht eine Krankheit hinnehmen, die wir bekämpfen können."

Die Zeit drängt, denn die von den Tsetse-Fliegen übertragenen Trypanosomen sind Killer, die fast überall in den Gebieten südlich der Sahara ein Zerstörungswerk anrichten, von dem die wenigsten Menschen im Norden der Welt ahnen. Je nach Typ infizieren die einzelligen Parasiten Menschen oder Rinder. Jährlich etwa 500000 Menschen erkranken an der von Tsetse-Fliegen übertragenen Schlafkrankheit, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Vermutlich 80 Prozent der Erkrankten sterben, ohne dass je ein Statistiker etwas von ihrem Schicksal erfährt. „Und die Krankheit breitet sich aus", sagt Pattec-Koordinator John Kabayo. Im Konferenzsaal der AU setzt Kabayo sich gemessen auf einen ausgeblichenen braunen Kunstlederstuhl und kramt aus einem Papierstapel eine Afrikakarte hervor. „Hier überall lebt Tsetse", sagt er und fährt mit dem Zeigefinger die rot markierten Grenzen des Tsetse-Gürtels nach. „Die Tsetse-Fliege verseucht ein Gebiet von rund neun Millionen Quadratkilometern", erklärt Kabayo. „In manchen Teilen Afrikas sterben durch die Fliegen bereits mehr Menschen als durch Aids."


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links: Die Bauern stellen Geruchsfallen für die Tsetse- Fliegen auf. Damit lässt sich die Insektenplage nur eindämmen
rechts: Afrikanische Wissenschaftler beim Kampf gegen die Insekten: Die Forscher und Techniker züchten Fliegen und sterilisieren sie mit radioaktiven Strahlen

Bei Rindern verursachen Trypanosomen vom Typ brucei brucei die Nagana-Krankheit. Die Tiere magern ab, geben keine Milch mehr und fallen als Zugtiere aus. Auch Pferde lassen sich in den befallenen Regionen kaum halten. Dabei könnten sie ein wichtiges Transportmittel in dem straßenarmen Kontinent sein. Die Nagana-Krankheit ist eine der Ursachen, warum die Landwirte Afrikas immer weniger produzieren. Geschätzter jährlicher wirtschaftlicher Schaden durch die Fliegen: rund 4,5 Milliarden Euro.

„Die Tsetse-Fliege ist ein besonderes Problem für Afrika", sagt Kabayo kurze Zeit später, während sein Fahrer den weißen Toyota Landcruiser an rostigen Wellblechhütten vorbei durch Addis Abeba steuert. „Tsetse ist die Fliege der Armut." Sie ist ein hartnäckiger Feind. Bislang blieben alle Versuche der Tropenmediziner, einen Impfstoff gegen die Schlafkrankheit zu entwickeln, erfolglos. „Schwimmen die Trypanosomen erst einmal in der Blutbahn von Mensch oder Rind, können sie ihre äußere Proteinhülle in mindestens 1000 Varianten ändern", sagt Kabayo. „So entziehen sie sich dem Immunsystem."

Ausgerechnet in den medizinisch kaum versorgten Kriegsgebieten Schwarzafrikas – etwa im Südsudan und im Kongo – grassiert der wegen seiner langen Inkubationszeit besonders schwer zu diagnostizierende Gambiense-Typus des Parasiten. Die ersten Symptome wie Kopfschmerzen und hohes Fieber könnten auch von einer Malaria stammen. Die Krankheit wird darum meist erst erkannt, wenn es zu spät ist. Sobald die Trypanosomen ins Gehirn vorgestoßen sind, verursachen sie irreversible neurologische Veränderungen. Die infizierten Menschen sind in der Nacht oft sehr unruhig und nervös, am Tag aber verfallen sie in Passivität und eine schläfrige Antriebslosigkeit – daher der Name Schlafkrankheit. Nach und nach magern die Kranken ab, bis die Haut nur noch schlaff über den Knochen hängt und der Körper den Kampf gegen die Parasiten aufgibt. Selbst wenn Ärzte und Medikamente vor Ort sind, ist die Behandlung eine Rosskur, die nicht jeder überlebt. Das meist verabreichte Mittel Melarsoprol führt durch seinen Arsengehalt bei drei bis zehn Prozent der Patienten zum Tod.


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Bis zu 80 Fliegen gehen der Bäuerin pro Tag in die Falle. Tatsächlich erkrankt in der Gegend um Arba Minch mittlerweile nur noch jedes zehnte Rind

Erst seit Mai 2001 liefert der Pharmakonzern Aventis kostenlos drei weitere Medikamente gegen die Schlafkrankheit in den Schwarzen Kontinent. 1995 hatte der Vorgängerkonzern Hoechst Marion Roussel aus Rentabilitätsgründen die Produktion eines Medikaments mit dem effektiven und gut verträglichen Wirkstoff Eflornithin eingestellt. Stattdessen verwendeten Kosmetikfirmen den Stoff in einer Enthaarungscreme. Als dies bekannt wurde, gerieten die Pharmahersteller in Erklärungsnot. Aventis änderte seine Politik. Doch die Medikamentenspende beseitigt nicht das Grundproblem, das für die meisten Tropenkrankheiten gilt: Die ärmsten Länder Afrikas sind für die Pharmaproduzen- ten kein gewinnbringender Markt, entsprechend wenig wird dafür geforscht.

Aus Angst vor der Krankheit fliehen immer mehr Bauern in die trockenen und höher gelegenen Regionen, wo die Tsetse-Fliegen nicht überleben können, aber steile Hänge und karge Böden wenig Ertrag abwerfen. Wer dort kein Land findet oder nicht genügend erwirtschaften kann, endet häufig in den Slums der afrikanischen Großstädte – zurück bleiben fruchtbare Flusstäler und Feuchtgebiete mit dem theoretisch besten Weideland Afrikas. Die grüne Einöde zieht sich vom Senegal bis nach Südafrika – ein Gebiet so groß wie die USA.

Ein Stich kann die Existenz einer Familie gefährden. „Nagana treibt uns in den Ruin", klagt Daniel Darbo, 47, ein kleiner ausgemergelter, aber würdevoller Bauer aus dem Dörfchen Kola Shara, bei Arba Minch, 500 Kilometer südlich von Addis. Darbo lebt mit seiner Frau und zehn Kindern in einer Strohhütte in einem dieser fragilen afrikanischen Paradiese, wo Bananen und Mangos wachsen – und sich auch die Tsetse-Fliegen wohl fühlen. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die Fliege zugeschlagen: Vor kurzem ist Darbos zweiter Zugochse an Nagana verendet. Zwei Jahre lang wird Darbo jetzt sparen müssen, um wenigstens eines der Tiere zu ersetzen. In der Zwischenzeit kann er sich bei seinem Nachbarn ein Zugtier leihen. Doch der fordert die Hälfte der Ernte als Leihgebühr. Darbo bleibt keine Alternative. Nur wer Rinder hat, kann mit dem grob gezimmerten Holzpflug die Erde aufbrechen und säen.


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Hügellandschaft im Südwesten Äthiopiens. Dies Region könnte hervorragedes Weideland sein, doch die Tsetse-Fliege zwingt die Menschen in kargere Gegenden zu ziehen

Ein Blick ins Mikroskop genügt für die Hiobsbotschaft. „Hier ist er", ruft die Tierärztin Aynalem Gemechu im weißen Kittel. Ungeduldig winkt sie Bäuerin Sarah heran – schließlich warten Dutzende weiterer Proben. Schüchtern blinzelt Sarah durch das Okular des schweren altertümlichen Geräts mit den Messingschrauben: Im Blickfeld schlängelt sich ein kleiner weißlicher Wurm – der Nagana-Erreger. Immerhin ist es ein gutes Zeichen, dass es heute nur eine einzige Kuh erwischt hat. Über 20 Tiere haben die Bauern der Umgebung an diesem Vormittag in der Tierklinik von Arba Minch vorgeführt. Bis zu 30 Kilometer sind sie gelaufen, um ihre kranken Rinder zur Klinik zu treiben. Ausgemergelt stehen die Tiere jetzt im Holzgatter, zu müde, um zu muhen.

Veterinärassistent Melese Negash ritzt den Tieren mit einem Messerchen in die dünne Haut der Ohrmuschel, tropft dann mit einer Pipette das Blut auf Glasträger, die ihm ein diensteifriger kleiner Junge reicht. „Wir versuchen, den Bauern klarzumachen, dass sie ihre Tiere beim leisesten Verdacht auf Nagana untersuchen lassen müssen", erklärt Assefa Mebrate, Pattec-Projektleiter für Äthiopien. Noch gibt es zwei Medikamente gegen die Rinderkrankheit, die häufig helfen. Doch schon entwickeln die Parasiten Resistenzen. Mebrate hat keinen Zweifel: „Wir müssen die Fliegen selbst bekämpfen."

Bereits seit einigen Jahren fangen Pattec-Mitarbeiter deshalb die Fliegen mit konventionellen Fallen. Aufgespannte blau-schwarze Stoffbahnen stehen zwischen den Bananenstauden und locken die Insekten in die Nähe der Fallen. Dort empfängt sie der betö- rende Geruch von Aceton und Urin aus aufgehängten Plastikflaschen. Folgen sie dem Duft, ertrinken sie in der Flüssigkeit. Die Methode funktioniert. Doch es war schwierig, die Anwohner für das Projekt zu gewinnen. „Zunächst setzten unsere Mitarbeiter den Bauern einfach Fallen mit Eisenstangen vor die Nase", erklärt Mebrate. „Keiner fühlte sich verantwortlich, die Dorfbewohner stahlen sogar nachts die Metallstangen."

Mebrate ersetzte das wertvolle Eisen durch Bambus und versuchte, die Anwohner in das Projekt einzubeziehen: „Jeder muss im Turnus die Fallen aufstellen und überwachen." Auch Bauer Daniel Darbo leistet mittlerweile eifrig seinen Beitrag, um der Tsetse-Fliege Herr zu werden. Gemeinsam mit seinen Dorfnachbarn rammen der Bauer und sein Sohn regelmäßig Bambusstöcke in die harte Ackererde und spannen streng riechende Stoffbahnen auf. „Bis zu 80 Fliegen gehen uns täglich in eine Falle", meint Darbo zufrieden. Tatsächlich erkrankt in der Region von Arba Minch mittlerweile nur noch jedes zehnte Rind.

„Bloß ein Etappensieg", warnt John Kabayo. „Solange die Tsetse-Fiegen da sind, können sie sich jederzeit wieder ausbreiten." Schließlich war die Schlafkrankheit Ende der fünfziger Jahre durch den Einsatz von DDT schon einmal fast vom afrikanischen Kontinent verschwunden – und kommt jetzt mit großer Macht wieder. Für Kabayo gibt es nur eine Lösung: Er will die Insekten bis zum allerletzten Exemplar ausrotten. Und das ginge nur mit Hilfe von Radioaktivität und vieler nuklear kastrierter Fliegenmännchen. Der Plan ist weniger absurd, als er zunächst klingen mag, denn mit dieser so genannten SIT-Technik (Sterile Insekten-Technik) haben Biologen bereits die Ausbreitung der Mittelmeer-Fruchtfliege in Amerika gestoppt und die Melonenfliege in Japan unter Kontrolle gebracht. Und in den USA, Zentralamerika und Libyen wurde damit die Schraubenwurmfliege ausgerottet.


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Von der Rinder-Schlafkrankheit Nagana ausgemergelte Tiere an einer Wasserstelle in Südwest-Äthiopien. Die Rinder sind von Trypanosomen infiziert – krankmachenden Einzellern, die von Tsetse-Fliegen übertragen werden

Technisch ist SIT ausgereift, bestätigen Experten wie der Biogeograph Paul Müller von der Universität Trier. Zudem sei die Methode zweifellos ökologisch verträglicher als jedes Pestizid. Besonders verlockend klingen mögliche künftige Anwendungen der SIT-Technik: Mit ihr könnten sich auch andere gefährliche Tropeninsekten bekämpfen lassen, etwa die Malariamücke Anopheles, spekulieren die Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde. Sie müssen allerdings eingestehen: Bislang funktioniert die Methode bei Anopheles noch nicht.

Am liebsten berufen sich die Pattec-Organisatoren auf ein SIT-Projekt der AU auf der Insel Sansibar aus dem Jahre 1997. Mit konventionellen Methoden wurde die Tsetse-Fliegen-Population zuerst drastisch reduziert, und ihr dann mit der tatkräftigen Unterstützung von Hunderttausenden steriler Männchen endgültig der Garaus gemacht. Seit dem Beginn des Kontrollprogramms habe sich die Milchproduktion in Sansibar verdreifacht und die Fleischproduktion verdoppelt, erklärt das Landwirtschaftsministerium der Insel.

Wissenschaftler streiten, ob sich diese Erfahrungen übertragen lassen. Sansibar ist klein und so weit vom Festland entfernt, dass keine neuen Fliegen nachrücken können: Spätestens nach fünf Minuten Flug macht eine Tsetse-Fliege schlapp. Doch in Äthiopien seien die Verhältnisse gar nicht so verschieden von Sansibar, erwidert Kabayo. „Die Täler sind von hohen Gebirgszügen eingeschlossen", erläutert der Pattec-Chef. Eben weil Tsetse ein schlechter Flieger sei, schaffe es das Insekt weder, die Distanz von einem Tal ins nächste zu überwinden, noch eine Bergkette zu passieren. „Jedes Tal kommt einer Insel gleich. So können wir die Fliege Tal für Tal ausrotten." Im südäthiopischen Rift Valley will die Pattec künftig Tests auf 25000 Quadratkilometer Weideland durchführen. Außerdem visieren die Wissenschaftler die Region des Baumwollgürtels in Westafrika und das Okavango-Delta in Südafrika an. Es ist ein kühner Plan, der da in den AU-Büros von Addis Abeba gewälzt wird. Die erste Hürde besteht darin, Millionen attraktiver Tsetse-Männchen zu züchten. Zudem gibt es in Afrika 22 verschiedene Arten, die in Savannen, an Flüssen oder im Regenwald zu Hause sind.

IAEA-Experte Udo Feldmann schätzt, dass pro Woche etwa 500000 sterile Fliegen nötig sind, um Tsetse auf einer Fläche von 5000 bis 10000 Quadratkilometern zu bekämpfen. Derzeit gehen die Helfer in den äthiopischen Pattec-Regionalzentren fieberhaft auf Fliegenjagd. Sie sperren die gefangenen Insekten in kleine Trommeln mit Drahtfenstern und schicken sie per Flugzeug in das Pattec-Hauptlabor hinter dem Schrottplatz von Kaliti, eben dort wo die staubigen Straßen von Addis Abeba in die grünen Hügeln Afrikas münden. Laborleiter Solomon Mekonnen nimmt einen Plastikkanister und gießt Rinderblut auf eine durchsichtige Silikonunterlage. Zuvor hat er die Wärmeplatte auf 36 Grad, also menschliche Körpertemperatur, erhitzt. „Diese Membran ist der menschlichen Haut nachempfunden", erklärt Mekonnen. Nur wenn Blut und Temperatur stimmen, reproduzieren sich die heiklen Fliegen. Zu Beginn der Zucht hatten Labormitarbeiter aus Versehen eine ganze Population zu Tode gefroren.

Im Nebenraum sitzen seine Assistenten Henok Hailemariam und Moges Hidoto vor einem Haufen Fliegenpuppen in einer Petrischale und nehmen Maß. Hidoto füllt mit einer kleinen Schaufel Fliegenpuppen unterschiedlicher Größe auf eine schräge Plastikschiene. Von dort fallen sie durch unterschiedlich große Öffnungen in Plexiglasröhren. „Wir können nur Fliegen mit Idealmaßen für die Zucht gebrauchen. Die Attraktivität der männlichen Fliegen ist entscheidend für den Erfolg des Projektes", sagt Hidoto.

Eine strahlende Zukunft steht nur den schönsten Fliegen bevor. In etwa einem Jahr soll das neue Nuklearlabor bereitstehen, wöchentlich eine Million Fliegen sollen dann pro Woche in Bestrahlungsapparaten in unfruchtbare Verführer verwandelt werden. Gammastrahlen werden die Genitalien der Tsetse-Männchen zerstören. Schließlich will Äthiopien nicht nur für das eigene Land Fliegen produzieren, sondern auch der wichtigste Fliegenlieferant für die übrigen afrikanischen Länder werden. Bislang stehen jedoch nur vier Betonpfeiler, die andeuten, dass das geplante Labor riesige Ausmaße haben wird. Bis dahin scheint der Weg noch weit. Frauen und Männer mit großen Strohhüten schleppen in verbeulten Tragen Berge von Erde über die gigantische Baustelle.

Mit einem jahrzehntelangen Feldzug rechnen selbst die Pattec-Manager. Kein Wunder, dass außenstehende Experten skeptisch sind. „Wie sollen gerade die ärmsten Länder die notwendigen Gelder aufbringen für eine so langfristige Bekämpfungsmethode?", fragt der Biogeograph Paul Müller. Die Länder hätten schon genug zu kämpfen mit Aids und Malaria. Zudem droht gerade Äthiopien zurzeit eine große Hungersnot. Pattec-Chef Kabayo will sich nicht entmutigen lassen. „Das ist wie bei dem afrikanischen Rätsel, das fragt, wie man einen Elefanten isst", sagt Kabayo. „Die Antwort lautet: in kleinen Stücken."

 

KOMPAKT

  • Das Problem: Die Schlafkrankheit macht die Landwirtschaft ausgerechnet in den fruchtbaren Gebieten Afrikas schwierig bis unmöglich und tötet jedes Jahr mehrere Hunderttausend Menschen.
  • Die Lösung: Die Überträger der Krankheit – die Tsetse-Fliegen – sollen ausgerottet werden.
  • Die Methode: Millionen von Tsetse-Fliegen sollen radioaktiv bestrahlt werden, damit sie keinen Nachwuchs zeugen können.