Kampf dem Turnschuh
(ADACreisemagazin)Junge Designer erobern die ewige Welthauptstadt der Mode: Sie sind elegant, frivol und ein bisschen durchgeknallt
© Kerstin zu Pan
Paris-Vogel: Die Stadt verleiht Flügel, so auch unserem Model Milena. Hier hat sie sich zu den fliegenden Pferden den vergoldeten Pegasus-Figuren auf der Pont Alexandre gesellt. Sie trägt einen tüllgefütterten Maxi-Bomber-Blouson passend zu flatterleichten, zitringelben Jogging Kombination aus Crêpe Georgette (von Eric Tibusch)
Wie diese aussehen kann, zeigen die Kleiderständer am Eingang - ein Traum aus Seidencrepe mit Krokoleder-Korsage; eine Spitzenrobe, bestickt mit schimmernde Perlen; ein Cocktailkleid mit Kimonoärmeln. Eric Tibusch, Sohn einer Mutter aus Guadeloupe und eines deutschen Fremdenlegionärs, räkelt sich auf einer Recamiere aus cremeweißen Leder und erklärt: "Ich sehe mich als Nachfolger der ganz Großen."
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Befreiungs akt: Im Angesichts des postmodernen Triumphbogens von La Défense befreit sich die weiße Frau von allem, was sie bedrückt. Unsicher noch entdeckt sie ihr neues luftiges Ich. Kopfschmuck und Busier aus Ballonseide (von Lily O.)
Krise?
Stimmt schon, dass die Haute Couture, in Bedrängnis ist. Angeblich wachsen nicht genügend Ölscheichs, US-Dollarmillionäre und russische Oligarchen nach, die ihre Frauen mit einem Abendkleid beglücken, das weit über 30 000 Euro kostet. Zweifellos können sich kleinere Häuser den Modezirkus kaum noch leisten. Für die 20 Minuten einer einzigen Schau müssen sie bis zu drei Millionen Euro investieren, um in den Notizbüchern notorisch blasierter Modejournalistinnen einen Eindruck zu hinterlassen. Es kostet eben, wenn etwa Karl Lagerfeld für Chanel ein altes Pariser Schwimmbad zu einem Modetempel mit künstlichem Wasserfall umbaut.
In der letzten Saison nahmen nur noch elf Modehäuser an den Haute-Couture-Schauen teil. Und dennoch wäre es übertrieben, das Ableben der großen Modekunst vermelden.
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La vie en Rouge: Rot wie die Sünde und süß wie Limonadenreklame kokettiert Milena, als gehöre sie zur Erotikgruppe des Cabaret Moulin Rouge. Das Korsett aus rotem Baumwollsatin schuf Sylviane Nuffer als Ode an die Weiblichkeit
Paris ist immer noch die Welthauptstadt der Mode, man muss nur mit offenen Augen durch die Straßen gehen. Die meisten Pariserinnen sind einfach gut angezogen, von der Schülerin bis hin zu der Frau, die beinahe Staatspräsidentin gewor-den wäre. „Ja, ich lasse mich von Ségolène Royal inspirieren ", gesteht Modemacher Eric Tibusch, „sie ist der Typ der eleganten Pariserin, den ich verehre. Es ist eine Mode für normale Frauen, betont der Designer aus Bagnolet. "In meinen Kreationen soll sich eine Frau auch noch nach zwei Gläsern Champagner und drei Petit Fours wohl fühlen." "Wichtig ist vor allem, dass die Frauen nicht in Turnschuhen herumlaufen", erläutert Tibusch. "Ich hasse Frauen in Turnschuhen." Er tue deshalb sein bestes, um bereits die modebewussten 18-Jährigen einzukleiden. „In meiner Prêt-à-Porter-Linie Tibusch kann ich ein Kleid schon für 2000 bis 8000 Euro anbieten", erklärt er ohne erkennbare Ironie.
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Das Designerpaar Michel Dupre und Christelle Santabarbara zeigte bereits im Nebenprogramm der Haute Couture Schauen seine düstere Kollektion, inspiriert von der männermordenden "Schwarzen Witwe"
Mode in Paris ist nicht vernünftig. Sie ist häufig teuer, fast immer elegant, gern frivol, manchmal frech, gelegentlich durchgeknallt.
Die 22-jährige Modeschülerin Emilie Thouvenin aus dem Atelier Chardon-Savard verkleidete für eine Modeshow das Model mit viel weißem Stoff zu einer Art Eisberg, der nach und nach abschmilzt und so „das wahre Ich gebirt". Besonders schwierig, so Thouvenin, sei die Installation der Leuchtdioden gewesen, die vom Bauch her leuchten sollten. Etwas näher am Kunden ist das Label „Costumizée par"im angesagten Shoppingviertel Marais. In der Linie „Merci Monsieur" erzählt Designerin Liza Arico „Geschichten aus gebrauchten Stücken". Verschmitzt zeigt sie ein Hochzeitskleid aus 94 recycelten Seidenkrawatten. Seitdem sie die Preise verdreifacht habe, exportiere sie sogar nach Japan und Hongkong.
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Federwerk: Scheu betrachtet die Schöne im Federkleid der eingesperrten Taube in der Opéra Garnier. Ariiaué, nach der Königin der Tahitis, heißt das meerblaue Kleid aus dem sich blaue Moussline-Bahnen strahlenartig ergießen. Am Bustier stecken Federn des polynesischen UUpa-Vogels (von Eric Tibusch)
Schon in Ordnung, wenn Kleidung auch die Blößen bedeckt und sich komfortabel trägt. Doch immer geht es darum, die Möglichkeiten des eigenen Ichs auszuloten. „In unserer Modelinie wollen wir den Esprit der schwarzen Witwe transportieren. Sie wissen schon, diese männermordende Frau", erläutert Christelle Santabarbara, die mit ihrem Partner Michel Dupre bereits im Off-Programm der Haute Couture defilieren lässt. Eric Tibusch setzt auf Exotik und zeigt auf eine Ming Vase, eine Totemfigur aus Tahiti und eine Burka-Maske aus Saudiarabien. „Alles kann gemischt werden."
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Elfe von Sacre-Coeur: Milena erkundet hier den grünen Hügel der Stadt. Ihr ziseliertes, kurzes Blümchenkleid hat Designer Maurizio Gallante Second Life getauft, weil es Materialien des 19.Jahrhunderts mit einem modernen Schnitt verbindet
Die Mode ist tot, es lebe die Mode!