Besuch beim Onkel

(Nido)

Unter den afrikanischen Bewohnern der Vorstädte von Paris Ist die Polygamie weit verbreitet – doch immer mehr Frauen wollen dieser Lebensform entweichen. Die Sozialarbeiterin Fanta Sangare arbeitet als Fluchthelferin


© Andrea Schuhmacher
Thérèse Mendy aus Guinea-Bissau wurde ihrem künftigen Mann Tasio schon als Baby versprochen. Später arbeitete sie dafür, dass ihr senegalesischer Mann sich noch eine weitere Frau leisten im konnte. Nach der Scheidung zog sie ins Obdachlosenheim, bis sie eine Sozialwohnung fand.

Der alltägliche Schrecken halt, dachte die Sozialarbeiterin Fanta Sangare, als die Leiterin des lokalen Gesundheitszentrums PMI bei ihr anrief. Bei einer medizinischen Routineuntersuchung in der Pariser Banlieue, in Bobigny, hatte eine Ärztin in einer malinesischen Familie mal wieder ein genital verstümmeltes Mädchen entdeckt. Ob Sangare, 47, vermitteln könne? Beschneidung gilt in Frankreich als schwere Straftat, den Eltern stand juristischer Ärger bevor, aber die weigerten sich mit den Abgesandten des Staates auch nur zu sprechen. Sie sagten lediglich, das alles müsse wohl das „Werk des Teufels“ gewesen sein.

Da Sangare ebenfalls aus Mali stammt, zudem nicht für eine staatliche Institution arbeitete, gelang es ihr tatsächlich, das Vertrauen der Familie zu gewinnen. Als das Familienoberhaupt sie dann endlich zum Gespräch in einer nicht allzu großen Wohnung mit vier Schlaf- und einem Wohnzimmer empfing, staunte sie dann doch: Der männliche Patriarch lebte dort mit seinen vier Ehefrauen und 46 Kindern. Sangare muss immer noch tief einatmen, wenn sie von diesem Anblick erzählt. „Das war eine Riesenfamilie, die sich vollkommen genügte“, erzählt sie, schwerer atmend noch in der Erinnerung. „Die Frauen sprachen kein Wort Französisch und waren völlig isoliert; die Kinder trieben sich irgendwo auf den Straßen herum.“

Und das sind nicht die Straßen, die der Paris-Tourist kennt. Sangares Büro etwa liegt an einem zubetonierten Ödnis mit dem pathetischen Namen „Place des Nations unies“ – „Platz der Vereinten Nationen“, umstanden von schäbigen Wohnhäusern. Gleich um die Ecke liegt der schmucklose Arabermarkt, wo allein der Geruch frischer Pfefferminze ein wenig die Sinne stimuliert. Daneben zerlegen Metzger billiges Lammfleisch auf Holzblöcken, Händler offerieren arabische Teekannen, Plastikturnschuhe und Spitzennachthemden aus Polyester. Kaum ein Europäer ist auf den Straßen zu sehen, eine Frau in rosa Bademantel huscht zum Bäcker, an der Metrostation lungern gelangweilt Jugendliche herum und beäugen aussteigende Fahrgäste aus dem Augenwinkel. In der Metrostation mahnt ein Plakat „Non à la violence“.

Mit seinen knapp 50 000 Einwohnern ist Bobigny eine der arme Vorstädte von Paris, aber nicht exotisch, stellenweise kleinbürgerlich – aber vor allem die Hochhaussiedlungen gelten als Orte der Armut, der Gewalt und der Migration. Hier starteten im vergangenen Jahr die Aufstände, bei denen die Jugendlichen Schaufenster einschlugen und Hunderte von Autos abfackelten. Hier leben viele der Einwanderer, vor allem die Immigranten aus dem Senegal, Mali und Mauretanien. Einst waren sie als billige Arbeitskräfte gesucht, die all die Jobs erledigten, für die sich die Franzosen zu schade waren, vor allem zu Zeiten, als die Konjunktur besser lief. Heute sind viele von ihnen arbeitslos; und sie stoßen an mit ihren Sitten und Gebräuchen, zu denen auch die Polygamie gehört.

In mindestens 40 bis 50 000 Familien in Frankreich, so eine neuere Schätzung, lebt ein Familienvater mit mehreren, in der Regel bis zu vier Frauen zusammen. „Rechnet man pro Familie bis zu zehn Kinder, kann man davon ausgehen, dass bis zu 500 000 Menschen so leben“, kalkuliert Sangare. „Aber ich denke, es sind noch mehr. Hier in der Vorstadt leben fast alle Familien in Polygamie, wobei die Frauen eines Mannes nicht immer in einem Haushalt leben.“

Und so kommt es, dass an den Rändern der französischen Großstädte – in Paris, Marseille, Lyon, Grenoble – derzeit ein Problem virulent wird, das Politik und Öffentlichkeit lange ignoriert haben. Dabei geht es um den Zusammenstoß der Kulturen, die Frage nach der Gültigkeit von Weren, und es ist ein Lehrstück über die Globalisierung. Die zeigt sich in Biografien, die Grenzen überschreiten.

 


© Andrea Schuhmacher
Triste Sozialwohnungen im Pariser Vorort Bobigny: Hier leben fast alle afrikanischen Familien in Vielehe. Nach einer Studie des Institut Montaigne gibt es in Frankreich zwischen 40000 und 50000 polygame afrikanische Familien.

So etwa bei Thérèse Mendy aus dem Viertel Courneuve, einem weiteren sozialen Brennpunkt in den Vorstädten. Trotz winterlicher Außentemperaturen trägt die 38-jährige Faru einen typisch westafrikanischen Boubou mit gerüschten Ärmeln. Zur Begrüßung schaltet sie den Fernseher an, watschelt gemächlich in die Küche ihrer kleinen 3-Zimmer-Wohnung und kommt mit einer verschlossenen Wasserflasche an, wischt sorgsam die Gläser mit einem Tuch aus, als wäre Staub in der Luft; dann beginnt sie zu erzählen.


© Andrea Schuhmacher
Der ehemalige Leistungssportler Jean-Marie Ballo gründete in der Banlieue Les Ulis den Verein „Nouveau Pas“ mit dem er afrikanischen Frauen zur Flucht aus der Polygamie hilft.

Noch als sie im Bauch ihrer Mutter war, so wurde ihr berichtet, kam ein Freund ihres Großvaters, des Familien-Patriachen und sagte: „Wenn es ein Mädchen wird, soll es meinen Sohn heiraten.“ Und wenn es ein Junge wird? „Dann werden sie Freunde.“ Großvater war einverstanden. Als Thérèse zur Welt kam, schlugen der Großvater und sein Freund ein Seil um ihre Taille. Damit war sie ihrem zukünftigen Bräutigam versprochen, der damals zwölf Jahre alt war, in einem kleinen Buschdorf lebte und nie eine Schule besucht hatte.

Die kleine Thérèse wuchs unterdessen ab dem zweiten Lebensjahr bei der Zweitfrau ihres Vaters im benachbarten Senegal auf, wo er Arbeit gefunden hatte. „Ich durfte oft nicht zur Schule gehen, weil ich ihr helfen musste zu kochen, zu waschen, auf dem Markt einzukaufen.“ Mendy zeigt auf zwei rostige Kohlebügeleisen, die neben einer Keramikvase mit rosa und gelben Plastikblumen steht. „Die habe ich mir aus dem Senegal mitgenommen, zur Erinnerung an die Mühsal in meinem alten Leben“, sagt sie freudig-trotzig, denn gefallen lassen habe sie sich nichts: „Ich hab einen starken Charakter.“ Nur eines verzeiht sie nicht, dass ihre Zweitmutter sie schon im Alter von neun Jahren aus der Schule genommen hat. „Dabei war ich trotz der vielen Fehlzeiten die Zweitbeste in meiner Klasse“, erinnert sie sich. Doch der eigentliche Schock ereignete sich Jahre später, als Thérèse gerade mit ihrer zweiten Mutter und ihren Cousinen das Essen zubereitete und an nichts Böses dachte. Plötzlich rief jemand: „Thérèse, Dein Ehemann ist da!“

Es war Tasio, den sie bis dahin noch nie gesehen hatte. Wie alt der war! Und überhaupt: „Ich wollte niemanden heiraten, den ich nicht liebe.“ Thérèse grüßte ihren designierten Ehemann noch nicht mal. „Ich wollte nur, dass er ganz, ganz schnell verschwindet.“ Als sie dann doch genötigt wurde, sich neben ihn zu setzen, sprachen sie beide nicht. Nur einer der Begleiter Tasios sagt: „Gut, dass Du kochen kannst.“ Und auch Tasio hielt an der Wahl seines Vaters fest, und er fühlte sich im Recht. Schließlich hatte er ja, wie es bei ihnen üblich war, bereits seit Jahren der Familie Mendys in der Regenzeit bei der Ernte geholfen und für ihren Großvater Brennholz geschlagen. Eine Zeitlang kam er jedes zweite Wochenende zu Besuch, dann ging Tasio einige Jahre zum Arbeiten nach Frankreich und sparte für eine gemeinsame Zukunft.

Als Thérèse 16 war, kam er wieder. Zwei Monate hatte er sich gegeben, um sie zu heiraten. Als sie sich weiter widersetzte, verständigte die Familie in Senegal den Großvater in Guinea-Bissau, der daraufhin anreiste, um die Hochzeit mit Psychoterror durchzusetzen – die Familie würde sie verbannen und verfluchen, so dass sie auch mit einem anderen Mann keine Kinder haben würden. „Sie drohten auch mit Gewalt, erzählt Mendy. So ergab sie sich schließlich in die Zwangsheirat, doch als er sich ihr in der Hochzeitsnacht nähern wollte, zerkratzte sie ihm derart das Gesicht, dass er sich nicht vor die Türe traute.

Bis Zwar gelang es Mendy, ihren Mann etwas zu mögen, als er sie nach Frankreich nachgeholt hatte. Doch dann kam das nächste Problem, als sie nicht schwanger wurde. „Sein kleiner Bruder, der mich nicht mochte, versuchte ständig Unfrieden zu stiften. Er verbreitete überall, ich sei unfruchtbar, denn in Afrika sind immer die Faruen schuld, wenn es nicht klappt.“ Doch schließlich stellte sich heraus, dass bei ihrem Mann nur ein klener Eingriff nötig und schon drei Monate später war sie schwanger mit ihre ersten Sohn Dian. Später kamen noch zwei Söhne und zwei Töchter hinterher.

Umso entsetzter war Mendy, als sie ihr zugetragen wurde, dass ihr Mann im Geheimen im Senegal eine zweite Frau geheiratet hatte. „Die zweite hat bereits ein Mädchen geboren, erzählte ihr Onkel. „Für mich war das wie ein doppelter Verrat“, erzählt Mendy. „Erst hat er mich geheiratet, obwohl ich ihn nicht liebte. Dann hat er eine zweite Frau genommen, obwohl ich über die Jahre gelernt hatte, ihn zu lieben.“ Erst tat sie so, als ob sie nichts wüsste, doch dann bekam sie Angst, dass sie sich indirekt vielleicht eine Krankheit einfangen könnte. Also fragte sie ihn eines Tages plötzlich: „Wie geht´s eigentlich deiner zweiten Frau?“ Seit diesem Tag lief eigentlich nichts mehr zwischen den beiden Eheleuten. Thérèse kümmerte sich nur noch um ihre fünf Kinder, nicht mehr um den Haushalt. Sex verweigerte sie. Es gab Streit ums französische Kindergeld, das Tasio an seine Zweitfrau im Senegal schickte. Die Kinder sackten in der Schule ab. Spätestens als Tasio ankündigte, dass er seine Zweitfrau nach Paris holen wolle, war eigentlich klar, dass sie gehen musste.

Als Thérèse nach einem langen und schmutzigen Scheidungskrieg endlich wieder allein war, fand sie sich in einem Sechs-Quadratmeter-Zimmer in einem Obdachlosenheim wieder. Von dort aus betreute sie ihre Kinder, die aus Platzmangel beim Vater wohnen blieben. Jeden Mittag ging sie also in die alte Wohnung und kochte. Ansonsten arbeitete sie als Kantinenbedienung und ging abends bei Wohfahrtsverband Secours Catholique putzen. Wenn das Geld sehr knapp wurde, gab man ihr dort manchmal Konservendosen mit. Erst nach vier Jahren ergatterte sie mit Hilfe ihres Arbeitgebers eine Drei-Zimmer-Sozialwohnung und konnte ihre fünf Kinder zu sich holen. Vielleicht, so sagt sie, hätte sie das nicht geschafft, hätte ihrn Mann sie nach der Scheidung nicht verflucht. „Du wirst schon sehen, Du wirst in der Gosse landen“, hatte Tasio ihr nachgebrüllt. Thérèse sagt: „Vielleicht war es das, was mich angetrieben hat, so hart zu arbeiten: Ich wollte ihm beweisen, dass ich es schaffe.“

„Ach, es sind immer die gleichen Geschichten“, sagt die Sozialarbeiterin Fanta Sangare und blättert durch ihre Karteikarten, wo sie säuberlich die Schicksale verzeichnet hat, die sie von ihrem schmalen Schreibtisch aus in ihrem Minibüro betreut, mit am Tisch ihre Mitarbeiterin, die für die verwaltungstechnischen Dinge zuständig ist. Die Espresso-Maschine funktioniert nicht mehr, dafür lagert eine Packung Billigkekse und ein paar Trinkjoghurts auf der Maschine. Manche hilfesuchende Frauen kommen nämlich hungrig in die Beratung, die kriegen erstmal Kekse und Wasser, bevor sie reden, sagt Sangare und dreht an ihrem Yin-und-Yang-Ring. Die Geschichten, die sie erzählt, klingen fast noch drastischer als die von Thérèse Menty.

Dabei stehen meist gar nicht die Konflikte zwischen Mann und Frau im Mittelpunkt. Sangare berichtet von der grausamen Konkurrenz der Frauen untereinander, die vor allem dann entsteht, wenn die Polygamie wirklich in einer Wohnung gelebt wird, so wie meistens in Paris: „Ich habe den Fall einer Frau erlebt, wo eine Nebenfrau sie mit heißem Öl übergossen hat – sie ist bis ans Ende ihrer Tage mit Brandnarben gezeichnet. Eine andere hat hier in Bobigny ihrer Nebenfrau ein Stück Lipp abgebissen und weggeworfeb. Die Familie musste danach suchen und konnte sie wieder annähen lassen.“ Und diese Konkurrenz setze sich zwischen den Kindern der jeweiligen Frauen fort. „Sie beschimpfen und prügeln sich. Neulich warf in einer Familie ein Mädchen mit klatschnasser Wäsche nach der Nebenfrau ihrer Mutter. Die regte sich so auf, dass sie das Kind mit dem Messer bedrohte.“

Deutlich wird dabei, dass der Platzmangel das größte Problem ist.“ Wenn Sie in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit zwei Nebenfrauen leben und jede hat ungefähr drei bis vier Kinder, dann haben Sie ein Problem“, sagt Sangare. „Je mehr Kinder, desto mehr staatliche Unterstützung“, sagt Sangara.

Und so kommt, dass manchmal noch nicht einmal jede Frau mit ihre Kindern ein eigenes Zimmer hat. „Da werden dann irgendwelche Vorhänge aufgespannt und dahinter ist der Mann mit seiner gerade Auserwählten zugange und die Kinder kriegen alles mit.“ Die Frauen kochen jeweils für ihre eigenen Kinder, müssen sich aber Töpfe und Teller teilen. Beim Duschen fehlt heißes Wasser, die Toilette ist immer besetzt. Es fehlt an Platz zum Soielen und zum Hausaufgaben machen. Wenn die Kinder nach der Schule nach Hause kommen, werden sie auf die Straße geschickt. Hinzu kommt, dass meist der Mann das Geld verwaltet. Oft haben die Kinder nichts zum Essen, weil ihr Vater für eine weitere Hochzeit plant oder ein Haus im Heimatland.

Es sind erstaunliche Geschichten aus einem Land, in dem die Polygamie immerhin seit 1993 verboten ist und mit einem Entzug der Aufenthaltsgenehmigung verbunden ist. Doch die Politik habe das Problem zulange ignoriert, schimpft der aus Mali stammende, ehemalige Leistungssportler Jean Marie Ballo, der den Verein „Nouvau Pas“ gegründet hat. „Gerade hier in den Vorstädten sprechen viele Politiker und Bürgermeister das Problem nicht an, weil sie Angst haben, rassistisch zu erscheinen und dann nicht mehr gewählt zu werden.“ Niemand könne behaupte, er wisse nichts davon. „Warum eigentlich fragen die Familienkassen nicht nach, wenn drei Monate nach der Geburt eines Kindes der Vater das nächste anmeldet?“ fragt er sarkastisch. „So schwierig ist die Rechnung nicht.“

Besonders erzürnt es ihn, wenn schlecht infomierte weiße Franzosen die Polygamie halt als besondere Lebensform rechtfertigen. „Diese Kulturrelativisten treten die Menschenrechte und die Gleichberechtigung mit den Füßen.“ Dann erzählt er seine eigene Geschichte von seinem reichen Vater, einem Ölindustriellen, der seine Söhne ins Jesuiten-Internat steckte und dennoch drei Frauen hatte. „Jede Mal, wenn ich in den Ferien war, sah ich, dass die zweite Frau meines Vaters von Mal zu Mal unglücklicher wurde: Sie selbst liebte meinen Vater, doch diese Liebe wurde nicht erwidert. So begann sie meinen Vater für ihr Unglück verantwortlich zu machen. Eines Tages, als mein Vater in seiner Hängematte seinen Mittagsschlaf hielt, nahm sie einen riesigen Holzstock und wollte ihn erschlagen.“ Ballo schluckt etwas. „Zum Glück weckten Schreie von Umstehenden meinen Vater auf und wurde gerettet.“

Und die Frau?

„Die verlor ihren Verstand. Für mich war das die Erfahrung, dass es keine glückliche polygame Familie geben kann, nirgendwo auf der Welt.“

Und so kommt es, dass Leute wir Ballo, Sangare und andere, jetzt die Sache selber in die Hand genommen haben und Frauen, die raus wollen aus diesen Strukturen, als Fluchthelfer dienen. Und das ist keine Aufgabe. „Die Frauen sind ja ängstlich, ungebildet und ohne Beruf“, erläutert Sangare. Außerdem führt die Abkehr vom Mann häufig dazu, dass die ganze Gemeinschaft, selbst die Familie in Afrika sich von ihr abwende – ein Alptraum gerade für Afrikaner. Wenn sie dann wirklich gehen, stehen sie häufig buchstäblich auf der Straße. „In einem Winter kam eine im siebten Monat schwangere Frau in mein Büro. Sie war von Zuhause weggelaufen und schon seit Monaten auf der Straße – schrecklich schmutzig“, erzählt Sangare. „ich hab sie dann erstmal bei mir übernachten lassen. Da konnte sie baden und etwas essen, später fand ich einen Platz in einem Frauenhaus.“ Und selbst dann ist das Problem nicht. Auf eine Sozialwohnung wartet man selbst in den grauen Pariser Vororten derzeit etwa fünf Jahre. Kein Wunder, dass de Befreiungsaktionen dauert. Aber Fanta Sangare ist hartnäckig. So hat sie auch bei der Familie mit den 46 Kindern zwei Frauen herausgeholt – doch das dauert zehn Jahren.

Bereuen manche Frauen, dass sie gegangen sind?

Ja, man muss ehrlich sein, es sind nicht nur Geschichten mit gutem Ende zu erzählen, gesteht Fanta Sangare. Sie erzählt von einer Frau, die sich auf ihr Anraten hin scheiden ließ und nun seit über einem Jahr mit drei Kindern in einem Hotel lebt. Seitdem sie eine Teilzeitstelle als Putzfrau hat, will das Sozialamt ihr nicht mehr das Hotel bezahlen; die Helfer um Sangarre finden aber auch keine bezahlbare Wohnung für sie. „Mir ist das peinlich“, sagt Sangare.

Und was sagt die Frau?

„Sie sagt mir jetzt, sie wäre lieber wieder bei ihrem gewalttätigen Mann und seinen Frauen als mit drei Kindern auf der Straße.“