Abenteuer am Äquator

(ADACreisewelt)

Entdeckungsreise zu Kolonialkirchen, Feuerbergen und Urzeitdrachen


© Andrea Schuhmacher
Urzeitwesen wie dieser Meerleguan bevölkern die Galapagos-Inseln

Die Mitte der Welt liegt 22 Kilometer nördlich von Quito, und das erklärt, wieso hier – im Örtchen "Mitad del Mundo" - erwachsene Menschen heiter von einem Bein auf das andere springen.  Sie hüpfen über einen gelben Strich, dessen Verlauf französische Ingenieure 1736 berechnet hatten: den Äquator. Hier kann man mit einem Fuß auf der Nordhalbkugel der Welt stehen und mit dem anderen Fuß auf der Südhalbkugel.

Es ist ein symbolischer Ort. Dessen Botschaft lautet: Ecuador ist ein Land, das  viele Welten in sich vereint. Auf einer Fläche, kleiner als Deutschland, wachsen Regenwälder, thronen Vulkane, locken Palmenstrände zum Baden. Barock-Architektur kontrastiert mit den Farben der Märkte und der Indiotrachten.

Eine Reise nach Ecuador gleicht einer Abenteuerreise  durch einen ganzen Kontinent und einer Zeitreise in die Geschichte  Südamerikas.


© Andrea Schuhmacher
Die Kirche und das Kloster des Heiligen Francisco in Quito sind Weltkulturerbe

Sie beginnt meist im Jahre 1534, als Leutnant Sebastián de Benalcazár seinen Stiefel in die Ruinen der niedergebrannten  Inkastadt Quito setzte und im Schachbrettmuster die neue Kolonialhauptstadt Ecuadors anlegen ließ. Noch heute streifen die Besucher durch die Gassen der gut erhaltenen Altstadt, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde..

Von der Missionsarbeit der Katholiken zeugen über 100 Kirchen und Klöster. Sie haben Quito den Spitznamen "Kloster Amerikas" verschafft. Prunkstück ist die Kirche San Fransisco, wo Franziskanermönche vor allem Indioschüler zu Bildhauern und Malern ausbildeten. Die haben vielen Putten am Kirchenhimmel indianische Züge verliehen.

Besonders malerisch ist Cuneca, die zweite  große Kolonialstadt des Landes. Wer entlang des Flusses Tomebamba und durch die Pflasterstrassen schlendert, entdeckt weiß gestrichene Häuser mit Schnörkel-Balustraden und gusseisernen Balkonen. Aus den umliegenden Dörfern stammen die weltbekannten Panamahüte. Die Strohhüte heißen so, weil ecuadorianische Gastarbeiter sie beim Bau des Panamakanals trugen.


© Andrea Schuhmacher
Südlich von Quito thront der Vulkan Cotopaxi

Produkte indianischer Kultur finden Touristen in Otavalo, etwa 90 Kilometer nördlich  von Quito. Auf den Märkten der Stadt verkaufen Indios  in großer Auswahl Ledergürtel, Teppiche und Strickpullover mit den angesagten Motiven: Kakteen, Lamas,  Adler.


© Andrea Schuhmacher
Auf dem Markt von Otavalo verkaufen die stolzen Indios seit Jahrhunderten ihre traditionellen Ponchos und Teppiche

"Mashna?" - "Wieviel?", fragt die untersetzte Indianerin in Volantbluse und schwarzem Zopf auf Quechua, der Indio-Sprache. Die goldfarbenen Glasperlen um ihren Hals klimpern, als sie ihre Ponchos präsentiert. Nach dem  Verkauf lässt die Marktfrau lächelnd die Scheine zwischen weißblauen Röcken verschwinden. Die Otavalos gelten als die reichsten Indianer  Südamerikas - gerade weil sie ihrer Kultur treu geblieben sind. Fotografen finden hier Motive, die sich seit Jahrhunderten kaum geändert haben.

Das gilt erst recht  für die Fahrt von Quito nach Riobamba durch eine Landschaft, die Alexander von Humboldt "Straße der Vulkane" getauft hatte. Hier präsentieren sich erloschene Gletschervulkane wie der  6310 Meter hohe Chimborazo. Der höchste aktive Feuerspeier ist mit 5897 Metern der  Cotopaxi. Das Mittagessen wird an diesem Tag in der Hacienda La Ciénega aus dem 17. Jahrhundert am Fuße des Vulkans serviert.

Banos, "das Tor zum Oriente", dem ecuadorianischen Amazonasdschungel, lohnt einen Zwischenstopp. Das Kolonialstädtchen lockt mit Frühlingsklima, Thermalquellen und Cafés. Ein Straßenkonditor wirft einen Strang Zuckerrohrteig über einen Holznagel im Türrahmen und zieht die Masse in die Länge. Kostprobe gefällig?

Abenteuerlich wird es auf den Schmugglerpfaden außerhalb Banos. Man wandert über Flüsschen, schnuppert Mandarinenduft und blickt auf die Berge im Dunst. Irgendwo dort liegt das verlorene Gold des Inkakaisers Atahualpa. Noch tiefer in die Vergangenheit gelangt man in Ingapirca, dem wichtigsten präkolumbianischen Bauwerk Ecuadors. Mit Präzision legten die Inkas hier einen Tempel auf einer Ost-West-Achse an, um die Sonnenwenden zu feiern.


© Andrea Schuhmacher
Quilotoa: kein Fisch, kein einziges Tier lebt in der mit Regenwasser gefüllten Kraterlagune 175 Kilometer südöstlich von Quito.

Noch aufregender gerät die Fahrt zur Küste, wenn man im  Städtchen Guamote in den Zug oder den Schienenbus steigt. Mutige setzen sich auf die Waggon-Dächer und genießen die dramatische Aussicht auf Schluchten und bizarre Felsen wie die Teufelsnase, die Nariz de Diablo. Wer hungrig ist, kann sich bei einem Stop mit Bananen, Suppe oder "cuy" am Spieß  stärken. Die gegrillten Meerschweinchen gelten als Delikatesse.

Anschließend beweist der Lokführer seine Fahrkünste. Nur durch einen Zickzackkurs mit schnellem Vor- und Zurückstossen zwischen den Steilwänden schafft der Zug die 100 Höhenmeter bis ins Tal des Chanchanflußes. Die Bahnstrecke gilt als eine der schwierigsten der Welt.

Beim Anblick des Pazifiks in der Hafenstadt Guayaquil  sind alle flauen Gefühle verflogen. Hier startet das Flugzeug zu den Galapagos-Inseln 1000 Kilometer vor der Küste. Dank der abgeschiedenen Lage konnten hier Arten entstehen, die es nirgendwo sonst gibt: Echsen und Riesenschildkröten, Seelöwen und Leguane, phantastische Vögel.

Wenige  Menschen wohnen auf dem Archipel, etwa im Fischerdorf Puerto Baquerizo Moreno  auf der Insel San Cristobal. Hier kann sich  der Besucher im Interpretationszentrum einen Überblick verschaffen und sich am Badestrand Ochoa zwischen Seelöwen, Pelikanen und Darwinfinken erholen.

Je nach Wahl der Kreuzfahrt, wird jeder seine persönlichen Highlights mit nach Hause nehmen: Den Besuch bei den Pinguinen, den Anblick eines Hais im Wasser, die Kletterpartie zwischen den Lavafelsen der Vulkaninsel Bartolomé, die Begegung mit schnaubenden Pelzrobben am schwarzen Strand der Insel Saint James, ein Sonnenbad mit apathischen Wasserleguanen.


© Andrea Schuhmacher
Delikatesse Cuy: Gegrilltes Meerschweinchen gibt es meist an Festtagen

Zahlreiche Attraktionen bietet die Insel Isabela, die sich 132 Kilometer lang durch das halbe Galapagos-Gebietes zieht. In Mangrovensümpfen staksen Flamingos, in der Urbina Bucht kann man über ehemaligen Meeresboden laufen und Korallen am Tageslicht bestaunen: 1954 hat sich der Boden binnen eines Tages um sechs Meter aufgebäumt und die Vergänglichkeit alles Irdischen demonstriert.

Bei soviel Pathos der Natur empfiehlt sich als Gegengift ein Besuch bei den Spaßvögeln der Galapagos, den Blaufußtölpeln: Seevögel mit himmelblauen Füßen und Augen von leuchtender Unschuld. Wenn Frühlingsgefühle ein Tölpel-Männchen packen, beginnt es ungeschickt vor seiner Auserwählten von einem Fuß auf den anderen zu treten. Fruchtet das nicht, hebt es aufgeregt die Flügel an und trampelt weiter.  Irgendwann fängt auch das Weibchen an, sich nach beiden Seiten zu wiegen. Dann muss sich niemand mehr um die Fortpflanzung der Blaufüßler sorgen.

Wenn das nur Jorge wüsste. Der 90 Jahre alte Schildkrötenmann ist als letzter seiner Art der Star des Aufzuchtszentrums für bedrohte Riesenschildkröten auf Isabela und zugleich ein tragischer Fall: Er weigert sich beharrlich, sich mit paarungswilligen Weibchen verwandter Schildkrötengattungen einzulassen.

Man sollte Jorge besuchen, so lange es Jorge noch gibt.