Regionalführer Korsika

(ADACtourset, ADAC Verlag)

Einstieg - Calliste, die Schöne: vielbegehrt und heißumkämpft
Genuesische Zaglia-Brücke in der Spelunca-Schlucht



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Ein romantisches Bild vom korsischen Fischerleben zeichnen die bunten Boote die zum Sonnenuntergang im Hafen dümpeln.

Napoleon erkannte seine Heimat angeblich mit geschlossenen Augen an ihrem Duft. Wer Korsika besucht, wird wie er die Mischung aus Macchia und Meer in der Nase behalten.

Das Cap Corse vor Augen und Rossinis »diebische Elster« aus dem Schiffslautsprecher im Ohr - so schließen die meisten Besucher ihre erste Bekanntschaft mit Korsika. Die Asterix-Leser kommen, um die stolzen Bewohner und den berüchtigten Käse kennenzulernen, der ganze Schiffe zum Explodieren bringen kann. Liebhaber historischer Reiseberichte wollen mit den Werken des Philosophen und Schriftstellers Ferdinand Gregorovius (19. Jh.) in der Hand die Schauplätze der (selten glücklichen) Geschichte der Mittelmeerinsel erkunden. Und ganz nebenbei wird gebadet und getaucht, gewandert und Ski gefahren - es wäre ja ein Jammer, das reichhaltige Angebot nicht auszunutzen.

Auf 183 km Länge und 83 km Breite entfaltet sich dieser Kontinent im Westentaschenformat, der dem Reisenden immer wieder neue Blicke eröffnet, immer neue Täler und Wälder, wilde Wasserläufe und sogar eine Art Wüste. Korsika ist die gebirgigste Mittelmeerinsel, doch die traumhafte Landschaft birgt auch Probleme. Zwar führt die Abgeschiedenheit der Bergbauern im unwegsamen Gelände dazu, dass das Leben noch seinen traditionellen Gang geht, doch die Landwirtschaft ist mühsam, das bäuerliche Leben karg. Fast die Hälfte der rund 250 000 Korsen sucht sein Auskommen auf dem französischen Festland.

 

Tipps - Wie, wo, was?

Wanderziele: Zweitausender bei Haut-Asco            

Carte Zoom: Mit dem Ticket der korsischen Bahn kann der Urlauber sieben Tage beliebig viele Zugfahrten unternehmen. Das Billet kostet 47 Euro und lohnt ab einer längeren Hin- und Rückfahrt. Räder kosten extra.

Auskunft: Office de tourisme, 3, Boulevard du Roi Jérome, 20181 Ajaccio, Tel. 04 95 51 53 03, Fax 04 95 51 14 40.

Office de tourisme, Place St-Nicolas, 20200 Bastia, Tel. 04 95 55 96 96.

Office de tourisme, 2, Rue Fred Scamaroni, 20169 Bonifacio, Tel. 04 95 73 11 88.

Veranstaltungstipps: Wer sich über Musik, Märkte etc. informieren will, klickt auf die offizielle Seite der Agence du Tourisme: www.visit-corsica.com

Wanderkarten: Den Wetterbericht liest man in der Tageszeitung Corse Matin nach. Er hängt auch in den Büros des Nationalparks Parc naturel régional de Corse (www.parc-naturel-corse.com), z.B. in Ajaccio, 2 Rue Sergent-Casalonga. Hier bezieht man Karten für den GR 20 und weitere Wanderwege.

Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Adressen zu unseren Sehenswürdigkeiten finden Sie gleich hier online.

 

Küche - Herzhaft, kräftig und deftig: Cucina Corsa

Cafés säumen den Hafen von Ajaccio            

Auch das kulinarische Korsika lohnt eine Reise. Kräftig gewürzt und voll intensiver Düfte zeugt die Inselküche von ihrer Individualität – auch wenn manches etwas befremdlich erscheint.

Im einschlägigen Asterix-Comic bekommt der auf dem französischen Festland zurückgehaltene Osolemirnix allein beim Geruch von korsischem Käse schreckliches Heimweh. Zwar weht der Duft nicht gerade bis übers Meer, doch entwickelt z.B. der Ziegenkäse einen unverwechselbaren Geruch. Korsischer Käse ist eine der größten Spezialitäten der Inselküche. Im Norden ist er cremiger und weniger streng, im Süden reift er vor dem Verkauf mehrere höchst duftintensive Monate.

Dezenter ist der Frischkäse Brocciu (sprich: brutsch), der sich als köstliche Füllung in Vorspeisen wie Cannelloni findet oder in Gemüse- und Kräuteromeletts. Zum Dessert schmeckt er gezuckert besonders lecker oder als Fiadone – flambiert und mit Orangenblüten aromatisiert.

Aus den Netzen in die Pfanne

An der Küste dominieren traditionell Fisch- und Meeresfrüchte die Speisekarten. Bekannt ist die Fischsuppe Aziminu, eine korsische Variante der Bouillabaisse. Meerbarbe, Goldbrasse und Seebarsch – gegrillt oder aus dem Ofen – sind Leckerbissen. Frisch von der Aufzucht auf den Teller kommen auch Muscheln und Austern.

Im Landesinneren dagegen überwiegen Fleischgerichte mit Zicklein und Lamm. Bei den Schweinen, die die Macchia nach Kastanien und Eicheln durchpflügen, waren sich schon Asterix und Obelix uneins: Sind das wilde Haus- oder zahme Wildtiere? Wie dem auch sei: Im würzigen Fleischeintopf Stifatu oder in Kombination mit Fenchel, Tomaten oder Auberginen schmecken sie allemal. Eine typische Beilage sind Esskastanien, auch als Polenta mit Ragout oder zum Schinken Prizuttu.

Figatellu – Kräuterleberwürste – räuchern die Korsen über dem Kastanienfeuer, ebenso die Schinken Lonzu und Coppa, die zusammen mit frischen Feigen geradezu ein Gedicht sind.

Kastanienbier und Myrtelikör

Zum Essen trinken Liebhaber die inseltypischen Rosé- und Rotweine. Neben den Regionen Patrimonio, Porto-Vecchio und Ajaccio tragen sechs weitere Anbaugebiete das AOC-Gütesiegel für höchste Qualität. Ein erstklassiger weißer Dessertwein ist der Muscat vom Cap Corse im Inselnorden, zu dem man Canistrelli, Plätzchen aus Kastanienmehl, knabbert oder ein Stück Torta Castagnina mit Mandeln und Pinienkernen genießt.

Wer einen Vorrat der guten Tropfen mit nach Hause nehmen möchte, kauft am besten bei Winzern an den Weinstraßen. Dort ist es günstiger als im Laden. Außerdem kann man vorab kosten, was man später nach Hause trägt.

Einen Versuch wert sind auch die auf der Insel gebrauten Biersorten: Das helle Serena, das dunkle Pietra mit Kastaniengeschmack und das Weizenbier Colomba mit Myrte. Das Kraut findet sich auch im Murtinella-Likör. Weitere Geschmacksrichtungen bereiten die heimischen Erzeuger mit den Früchten des Erdbeerbaums oder Orangen und Zitronen zu. Wem dies zu alkoholisch ist, kann sich die Früchte auch als Marmelade aufs Baguette streichen.

Korsische Essgewohnheiten

Wer kein Frühstück zu seiner Übernachtung gebucht hat, beginnt den Tag am besten in einem Bistro mit Kaffee und Croissant. Achtung Spätaufsteher: Sind die Blätterteighörnchen schon aus, darf man sich etwas beim Bäcker besorgen und vor Ort zum bestellten Getränk konsumieren.

Mittags speisen die meisten Franzosen zwischen 12.30-14.30 Uhr, abends zwischen 19-22 Uhr. Davor sollte man am frühen Abend die inseltypischen Aperitifsorten testen. Am schönsten ist das irgendwo en terrasse mit Blick auf Berge oder Meer. Neben den oben genannten Likören empfehlen sich der chininhaltige Cap Corse oder der Anisschnaps Casanis – bei Hitze mit ein paar Eiswürfeln.

Korsika hat im Vergleich zum Festland gehobene Restaurantpreise. Am besten fährt beim Essen, wer nicht à la carte, sondern aus dem meist dreigängigen Menu bestellt. Manchmal wird auch ein günstiges Tagesgericht angeboten. In Touristenorten speist man verhältnismäßig billig in den dort verbreiteten Pizzerien. Im Landesinneren bieten Herbergen meist ein einfaches Einzelgericht zu vernünftigen Preisen an.

 

Verwilderte Hausschweine

Glückliche Schweine in der Castagniccia            

In Korsika blockieren freilaufende Schweine schon mal die Bahngleise, queren die Wanderwege oder tauchen unerwarteterweise hinter der nächsten Straßenbiegung auf. Ob es sich um verwilderte Hausschweine oder zahme Wildschweine handelt, lässt sich oft nicht genau ausmachen.


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Neben den französischen Strassenschilder hängen die korsischen. Der Madonna ist dies wahrscheinlich gleich.

Dass nicht alle reinrassig sind erkennt man jedoch spätestens, wenn ein rosa Muttertier mit seinem braungestreiften Nachwuchs unterwegs ist. Hausschweine leben auf Korsika schon immer etwas freier als die meisten ihrer Artgenossen auf dem Festland, oft leisten sie Ziegen- und Schafherden Gesellschaft auf den Almweiden, etwa der Castagniccia oder der Quenza-Region. Hier wird noch heute die intensivste Züchtung betrieben. Nur gelegentlich bewacht von Schweinehirten, können die Tiere ungehindert in der Macchia durch Lavendel, Thymian und Myrte umherstreifen und das Unterholz der Wälder nach Kastanien, Eicheln oder Fallobst durchpflügen.

Während dem korsischen Symboltier Mufflon sowie dem Hirsch Bergtouristen, Trophäenjäger und Wilderer stark zusetzten, sind die Schweine keineswegs vom Aussterben bedroht. Zwar machen Jäger jährlich gut 10 500 Tieren den Garaus. Dennoch vermehren sich die Schweine dank idealer Lebens- bedingungen weiterhin prächtig. Unzählige verwilderte Hausschweine streunen über die Insel. Die letzten reinrassigen Wildschweine sollen in der macchiaüberwachsenen Steinwüste Désert des Agriates leben.

Normalerweise erscheinen die Tiere friedlich und uninteressiert. Provozieren sollte man jedoch keine der beiden Arten. Besonders, wenn sie ihre Frischlinge in Gefahr wähnen, legen die Tiere erstaunliche Kraft und ein wirklich »schweinisches« Tempo vor.

 

Kinder an Bord? – Nichts wie hin!

Pinienschatten: Strand bei Calvi            

Ajaccio: Im Schildkrötenzoo »A Cupulatta« 23 km von Ajaccio an der N 193 Richtung Bastia kann man vom Schildkrötenbaby bis zum Panzerkoloss über 100 Arten aus allen Erdteilen bewundern. Beste Besuchszeit ist der Vormittag, denn sobald es heiß wird, flüchten die Tiere in schattige Unterschlupfe (www.acupulatta.com).

Porticcio: 600 m Wasserrutschen und verschiedenste Swimmingpools für die Großen und auch die ganz Kleinen bietet das Spaßbad »Aqua Cyrne Gliss«. Wer sich noch nicht ausgetobt hat, hüpft eine Runde oder mehrere auf dem Trampolin.

Corte: Im Musée de la Corse gibt es einen Bereich für Kinder, der sich mit dem korsischen Schwein beschäftigt. An der Kasse gibt es dazu ein deutschsprachiges Aufgabenheft zu kaufen (www.musee-corse.com).

Venaco: Kinder ab sechs Jahren können im Themenpark »Grandeur Nature« gefahrlos ihre Geschicklichkeit testen. Angeseilt und durch Netze abgesichert, klettern sie in dem 3500 qm großen Areal bis in die Baumspitzen. Die Routen in 5 bis 20 m Höhe umfassen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Für Kinder ab 12 Jahren bietet der Park eine Badetour mit Wasserrutschen und eine Macchia-Wanderung an (www.grandeurnature-corse.com).

Asterix auf Korsika: Ältere Kinder erfahren durch die Abenteuer der  gallischen Comic-Helden das Wichtigste über korsische Kultur und Sitten wie etwa die Siesta, die freilaufenden Wildschweine und Napoléon.

 

Andenken an Calliste, die Schöne

Heimat des Kunsthandwerks: Hügel der Balagne            

Pigna: Der Urlauber findet in allen größeren Orten Märkte oder Souvenir-Boutiquen, wo einheimische Erzeuger eine Fülle von Produkten anbieten. Die größte Auswahl gibt es aber sicher in der Balagne bei Pigna auf der »Route des Artisans«, der Straße der Künstler. Der Ort ist das Zentrum der korsischen Kulturbewegung »Corsicada«. Deren Gründer Toni Casalonga hatte es sich in den sechziger Jahren mit anderen Kunsthandwerkern zum Ziel gesetzt, die einheimischen Erzeugnisse gegen Importware zu verteidigen. Noch im 19. Jh. war etwa Schnitzwerk aus Kastanienholz sehr populär, z.B. als reich verzierte Teller oder Löffel. Bis in die Mitte des 20. Jh. hinein beschworen Pfeifenliebhaber die herausragende Qualität der korsischen Pfeifenköpfe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sank jedoch die Nachfrage, das korsische Kunsthandwerk stand vor dem Untergang. Heute finden sich in Pigna so viele Boutiquen und Werkstätten wie nie zuvor. Buchbinder, Kupferstecher, Bildhauer oder Spieluhrenhersteller haben hier ihre Ateliers. Die Bauern verkaufen Wein, Nougat, aromatisierte Öl- und Essigsorten. Auch die um Pigna liegenden Dörfer haben sich spezialisiert:

Calenzana: In der Domaine Orsini kann man zarten Lavendel- und kräftigen Kastanienhonig, Feigenkonfitüre, Nuss-, Zitronen- und Kirschlikör kosten, bevor man schweren Herzens seine Kaufentscheidung trifft.

Feliceto: Glasbläser zeigen in einem Schauatelier ihr Können. Die mundgeblasenen Vasen, Gläser und Figuren kann man gleich kaufen.

Corbara  und Occhiatana: Steingut, Raku-Waren (= Brenntechnik von Ton) und Keramik-Kunstobjekte gibt es in allen Formen und Größen.

Lumio: Parfumhersteller gewinnen aus Mastix, Myrte und Orangenblüten duftende Öle und Essenzen.

 

Tipps - Rund um das Cap Corse

Pisanerturm in Nonza am westlichen Cap Corse            

»L’isula di l’isula« nennen die Korsen das nördliche Ende ihrer Insel, das wie ein ausgestreckter Finger der alten Schutzmacht Genua entgegen weist. Für die Erkundung der gut 100 km langen Strecke um das Cap sollte man mindestens einen Tag einrechnen.

Wer sich gerne kutschieren lässt, kann in Bastia in der Rue du Nouveau Port einen Bus für eine Tagestour besteigen. Ein eigenes Auto empfiehlt sich aber wegen der Abstecher in einsame Ecken. Im Inneren der Halbinsel zieht sich macchiabewachsenes Gebirge bis gut 1300 m hoch. Hier lohnt die fünfstündige Tour von Pozzo zum Monte Stello. Mit ebenfalls grandioser Aussicht lockt der halbstündige Marsch zur Tour de Séneque vom Col de Ste-Lucie.


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Ob zu Fuß, per Rad oder mit dem Auto - die meisten Touristen begeistern sich für Korsikas Bergwelt: 50 Zweitausender ragen hier in den Himmel

Das Ufer säumen Steilküsten mit Badebuchten, meist an Kiesstränden. In den Dörfern scheint die Zeit stehengeblieben: Lavasina fällt auf mit einer Marienstatue auf dem Kirchturm, wo man eigentlich ein Kreuz vermuten würde. Beim idyllischen Erbalunga etwas weiter nördlich träumt auf einer Felsspitze ein verfallener Genuesenturm von längst vergangenen Zeiten, die Häuser der kleinen Marina berühren fast das Wasser. Einer der wenigen Sandstrände am Cap findet sich in Pietracorbara mit dem gut erhaltenen Tour de l’Osse (noch ein Stück weiter Richtung Norden).

Von Macinaggio schlängelt sich die Straße Richtung Rogliano ins Landesinnere an Weinkellern vorbei. Wer das Auto in Macinaggio stehen lässt, kann von hier an der Küste auf dem »Sentier des Douaniers« (Zöllnerpfad) über Barcaggio und Tollare nach Centuri-Port wandern. Auf dem Macchiapfad lauerten früher Zöllner den Schmugglern auf. Ein hübscher Abschluss der Capumrundung ist das mittelalterliche Nonza (siehe Bild).

 

Frühgeschichte im Blick

Seit Jahrtausenden besiedelt: Felsen von Bonifacio            

Wann der erste Mensch den Fuß auf die Insel setzte, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist, dass Korsika zu den ältesten Siedlungsgebieten am Mittelmeer zählt.

Archäologen datieren die ersten Siedlungen auf ca. 10 000 v. Chr., frühestes Zeugnis ist die Dame von Bonifacio.

Etwa 4000 v. Chr. entwickelten die Menschen der Megalith-Kultur Bestattungsriten. Auf Steinkistengräber in Erdhügeln folgten Dolmen, die ebenso wie ihre Vorgänger als Massengräber dienten. Menhire wurden entweder einzeln als Solitäre oder in Reihen aufgestellt, oft mit gemeißelten Waffendarstellungen verziert. Forscher vermuten, die prähistorischen Bildhauer hätten sich so der Kräfte der getöteten Feinde bemächtigen wollen.

Um 1500 v. Chr. errichteten Torreaner geschichtete Steinrundbauten. Für diese Torri nutzten sie oft die Megalithmenhire. Mit der Ankunft der Karthager und Griechen endete deren Epoche um ca. 600 v. Chr.

Im 19. Jh. reiste Prosper Mérimée als Denkmalinspekteur von Paris nach Korsika, um die Insel zu erforschen. Doch obwohl er von frühzeitlichen Funden wie den Menhiren berichtete, dauerte es bis zur Mitte des 20. Jh., bis die Korsen ihrer Kultur die angemessene Bedeutung schenkten.



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Hoch über dem Meer thronen auf den Kreidefelsen seit Jahrhunderten die Häuser von Bonifacio. Korsika zählt zu den ältesten Siedlungsgebieten am Mittelmeer

 

Eigenheiten der Sprache: Salut oder Salutu?

Sitz korsischer Rebellen: Bergstädtchen Corte            

Am deutlichsten fällt es dem vom Festland kommenden Urlauber bei den Straßenschildern auf: Korsika ist zweisprachig. Auf den Ortsschildern steht zuerst der französische, dann der korsische Name. Den Separatisten genügt dies nicht, deshalb übermalen sie die französischen Bezeichnungen meist mit schwarzem Pinselstrich.

Fast 70 % der Einheimischen – vor allem die älteren – sprechen auch Korsisch. Seit die französische Regierung 1974 die Regionalsprache an den Schulen zuließ, belegen Schüler und Studenten zunehmend das Wahlfach. Inzwischen tönt es häufig Korsisch aus dem Radio und Zeitungen drucken einige Artikel in dieser Sprache.

An der Universität Corte entwickeln Sprachforscher inzwischen sogar eine Art Einheitskorsisch, um die vielfältigen Inseldialekte zu einen. Ursprung des Korsischen ist Latein und Italienisch, zurückgehend auf die jahrhundertelange Besatzung durch Römer und Genuesen. Französisch kam später dazu, als Korsika im 18. Jh. an Frankreich fiel. Im Südwesten, unter dem Einfluss Sardiniens, klingt die Sprache eher hart. Im Nordosten gleicht sie einem weichen Singsang, ähnlich dem Toskanischen. Käme der Dichter Dante hier des Wegs, könnte er sich vermutlich mit Dörflern aus den entlegenen Tälern verständigen.

Für Touristen ergeben sich kaum Sprachbarrieren. Stockt das Gespräch, wechseln die Einheimischen sowieso in die Amtssprache. Französischkenntnisse schaden auf keinen Fall.

 

Kaiser Napoléons rebellische Erben

Über Jahrhunderte hinweg kämpften die Korsen gegen Eindringlinge und für ihre Unabhängigkeit von Frankreich. Doch Urlauber, die die Insel erkunden, sind gerne gesehen.

Schon auf den Fähren begegnet Reisenden der Mohrenkopf, den sich viele Einheimische stolz auf das Autoblech kleben: Der schwarze Kopf mit der weißen Stirnbinde ist das Symbol des korsischen Unabhängigkeitsstrebens. 1762 hatte ihn die Ratsversammlung unter dem »General der Nation« Pasquale Paoli zum Symbol des kurzzeitig selbständigen korsischen Staates erhoben. Heute noch steht er den meisten Korsen näher als die  französische Fahne.

Obwohl der Korse Napoléon der berühmteste Franzose aller Zeiten ist, wehren sich die Inselbewohner immer noch gegen die Pariser Zentralgewalt, häufig mit Demonstrationen, manchmal mit Plastiksprengstoff: Allein zwischen 1973 und 1998 zählten die Behörden insgesamt 8760 Anschläge, mehr als einen pro Tag! Solche Aggressionen wurzeln nicht zuletzt in der Mentalität dieser Inselbewohner: Die stolzen Korsen mussten sich über Jahrhunderte hinweg gegen wechselnde Besatzer wehren.

Ehrenbanditen und Vendetta


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Der Glockenturm von Tagliu aus dem 18 Jh. steht getrennt von der Kirche

In ihrer Abgeschiedenheit bewahrten sich die Korsen bis ins letzte Jahrhundert hinein archaische Rituale wie etwa die Vendetta, die Blutrache. Bei einer Kränkung der Familienehre verpflichteten sich die Männer, diese mit dem Tod des Schuldigen zu rächen – mag der Anlass noch so banal sein wie etwa ein gestohlener Hahn. Ganze Clans löschten sich so gegenseitig aus, die Mitstreiter nannten sich »Ehrenbanditen« und versteckten sich in der Macchia. Kein Wunder, dass derart auf ihren Ruf bedachte Menschen allergisch auf alle Einmischungen durch die französische Regierung reagierten.

Die Konflikte verschärften sich, als  Präsident Charles de Gaulle nach Ende des Algerienkrieges die aus dem arabischen Land vertriebenen Franzosen – die sog. pieds noirs – in Korsika ansiedelte. Die »Schwarzfüße« investierten dank günstiger Kredite und Subventionen vom Staat in die Massenproduktion von Wein oder spekulierten mit Grundstücken. Die Korsen und die Natur der Insel blieben dabei oft auf der Strecke.

Dank der Bestrebungen der Union des korsischen Volkes (UPC) und der Nationalen Front zur Befreiung Korsikas (FLNC) erhielt die Insel 1982 ein Regionalparlament. In den folgenden Jahren gestand Paris den Korsen zunehmend Autonomie zu. Die terroristische Partei FLNC wurde im Gegenzug verboten, bombte aber gelegentlich aus dem Untergrund weiter – außerhalb der Saison. Also keine Sorge: Urlauber sind willkommen und keine Bombenziele.